7.6 Die Guckheimer Umgangssprache, oder: »Schwatze, wie anem da Schnowel gewose es.«
Unsere Guckheimer Umgangssprache, unser Dialekt oder unser »Platt«, wie wir sagen, gehört zur alten Mosel fränkischen Sprache. Vom Saarland bis nach Franken reicht ein breiter Gürtel, in dem die Umgangssprache sich ähnelt. Es ist die Sprache von Kurtrier, unserem alten Trierer Land.
Es sind nicht nur die einzelnen Worte, die anders ausgesprochen werden, als es im Hochdeutschen der Fall ist. Die Satzstellung und sogar die Grammatik sind oft sehr verschieden. In unserer Sprache ist es zum Beispiel üblich, sogar die Zahl »zwei« verschieden auszusprechen, je nachdem ob das bezogene Wort männlich, weiblich oder sachlich ist. Dazu ein Beispiel: Im Hochdeutschen heißt es zwei Männer, zwei Hosen, zwei Kinder. »Auf Guckheimer Platt«, also in unserem Dialekt heißt es aber: Zwie Männer, zwo Buxe, zwa Kenner. Die Freundin heißt dot Mensch, manch' einer, hat zwa Menscher auf einmal. (Su ein Fallot!) Der Hafer heißt die Hower, unseren Elbbach nennen wir die Bach, die Kaffeetasse heillt dot Keppche.
Viele Wörter kommen aus dem Französischen, det Schabellche (kleiner Hocker) det Scheslong (Liege, Sofa), Bagasch (unseriose Personen). Oft braucht man, um ein Wort aus dem Dialekt zu übersetzen, ganze Sätze auf hochdeutsch. Das Wort unutwennisch ist da ein gutes Beispiel. Man konnte es mit unnotwendig ganz gut übersetzen, es trifft aber nicht richtig zu. Ein Mensch, der die Gastfreundschaft übertreibt und laufend fragt, ob man noch etwas essen oder trinken möchte, ist unutwennisch, aber nicht unnotwendig. Wir sagen in so einem Fall: »De es vielleicht unutwennisch!« und meinen damit:« Seine übertriebene Gastfreundschaft wäre wirklich nicht notwendig.«
Unsere Sprache ist, wie jede andere Sprache auch, gewissen zeitlichen Schwankungen und Veränderungen ausgesetzt. Unsere Oma sagte noch zum Wochentag Dienstag »Desdich«, wir sagen heute »Diensdoch«. Sie sagte zu Hosentasche: »Rejbert« wir sagen »Buxetesch«. Unsere Sprache ist sehr direkt, kommt ohne Umschweife auf den Punkt. Was heßst auf Westerwälder Platt: »Entschuldigen Sie bitte, ich habe Sie nicht verstanden. Können Sie das nochmal wiederholen?« Die richtige Antwort lautet: »He?«
7.6.1 Wot worn mir bieBe Bouwe Gedicht von Karl Jung
7.6 Die Guckheimer Umgangssprache ...
Na, alles verstanden? Es ist schwer, unser Dialekt zu lesen, weil man so wenig Übung darin hat. Es ist aber auch sehr schwer, in »Platt« zu schreiben, da es keine Lautschrift gibt. So versucht man halt, so zu schreiben, wie man spricht. Das kann aber gar nicht gehen, da es manche Buchstaben gar nicht im Alphabet gibt, oder wie würden Sie »ejsch.« (ich) schreiben?
Unser Dorfschullehrer sagt dazu: »Man sollte gar nicht in Platt schreiben, Euer Dialekt ist keine Schriftsprache, sondern sollte nur gesprochen werden«. Wenn wir es trotzdem hier versuchen, dann aus zwei Gründen: erstens wird man wohl einige Ausdrücke erklären müssen, die öfters in diesem? Buch auftauchen und zweitens wollen wir damit unsere Sprache den nachfolgenden Generationen erhalten. Ich komme in meinem Beruf oft mit Menschen aus dem ganzen Westerwald zusammen. Ich finde es immer wieder erfreulich, wenn ich nach einigen Sätzen höre, wo mein Gegenüber herkommt. Unser Westerwälder Platt ist nämlich von Dorf zu Dorf so unterschiedlich, dass man heraushören kann, ob jemand aus Hundsangen, aus Salz oder aus Gemünden kommt.
Leider ist es in Guckheim wie überall, das »Platt« wird immer mehr durch das Hochdeutsche ersetzt. Ziemlich genau 1970 war bei uns der Umbruch. Mit den Kindern, die früher geboren wurden, wurde platt gesprochen, mit den später Geborenen wurde hochdeutsch gesprochen es wurde wenigstens versucht.
Wie so oft im Leben, verfällt man ja in Stresssituationen oft wieder in sein wahres ich. So war es auch in der Geschichte des jungen Mädchens aus dem Westerwald, das eine Anstellung als Haushaltshilfe in der Stadt hatte. Als es wieder einmal zu Besuch in die alte Heimat kam und eine Hacke mit drei Zinken sah, die an der Mauer lehnte, fragte sie ganz »vornehm«: »Was ist denn das für ein Ding da?« Dabei trat sie aus Versehen auf die Zinken, und der Stiel schlug ihr gegen die Stirn. »Laatser Koarcht«, schimpfte sie sehr zum Vergnügen der schadenfrohen Dorfbewohner.
7.6.2 Guckheimer Lexikon von Karl Jung
7.6.3 Redewendungen
Westerwälder, zum Teil Guckheimer Redewendungen, die man nicht wörtlich übersetzen kann:
Sicher gäbe es noch sehr viele Redewendungen, die man hier aufschreiben könnte. Oft benutzt man sie unbewusst und ganz selbstverständlich. Wenn man aber mal darüber nachdenkt, woher diese Ausdrücke kommen und was sie eigentlich bedeuten, stellt man verwundert fest, dass unsere Sprache doch reich an Bildern ist. Vielleicht legen Sie sich ein Blatt auf diese Seite, und wenn Ihnen dann so ein Ausdruck auffallt, notieren Sie ihn für später. Vielleicht wird Ihnen mal jemand sehr dankbar dafür sein. Wenn jemand das Hochdeutsche nicht richtig beherrscht und ab und zu einen Satz auf Platt dazwischen mengt, entstehen oft lustige Episoden. Die folgenden sind wirklich passiert und werden seit einiger Zeit im Dorf erzählt:
7.6.4 Witze
Die Mutter sagt zu ihrem jüngsten Sohn: »Gehe mal in die Schule und sage dem Lehrer Scheidt, dass Deine Schwester heute nicht zum Unterricht kommen kann«. Brav erledigt der Junge den Auftrag. In der Schule sitzen alle Kinder und schauen ihn neugierig an. Etwas verlegen druckst er herum. »Herr Lehrer, meine Schwester ist krank, sie kann heute nicht zur Schule kommen.« - »Ach, das tut mir aber leid, was hat sie denn?« - »En Schwern um Asch!«
Vor langer Zeit war es üblich, dass der Lehrer in verschiedenen Haushalten in Guckheim zu Mittag aß. In einer Familie war ein junges Mädchen, das ein Auge auf den hübschen Junglehrer geworfen hatte. Eines Tages entwich ihr deutlich hörbar ein Furz. Das war ihr natürlich peinlich und so bat sie ihren Bruder, di Schuld dafür auf sich zu nehmen. Am nächsten Tag entschuldigte sich ihr Bruder beim Lehrer: »Herr Lehrer, de Furz, de user Marie gestern gelose hot, soll ejsch gelose hun.«
Pfarrer Pascher erklärt den Kindern in Salz die Nottaufe. »Wenn Lebensgefahr für das Neugeborene besteht, darf jeder Christ das Kind taufen. Diese Taufe ist dann gültig, egal mit was sie ausgeführt wird, ob man Weihwasser benutzt, oder Milch, oder Kaffee, das ist ganz gleichgültig.« - »Herr Pfarrer, geht das auch mit Puddel?«
Ein junges Mädchen geht nach Westerburg in die Lehre. Sie ist noch nicht lange da, als sie eines Tages humpelnd zur Arbeitsstelle kommt. Der besorgte Lehrmeister fragt sie: »Aber mein Fräulein, was ist denn geschehen? Sie hinken ja!« »Ach, das ist nicht so schlimm, ich bin nur den Trepperling runtergefallen.«